Wozu GFK – in Zeiten von Covid-19?

22.09.2020

Die Geschehnisse rund um Covid-19 im Jahr 2020 kamen unerwartet und sind für viele von uns herausfordernd. Berufliche Unsicherheiten und Anpassungen, geschlossene Schulen, soziale Einschränkungen, Sorgen um ältere Familienmitglieder oder um Freunde in einer Risikogruppe ändern die Wahrnehmung und Abläufe des eigenen Alltags. Manch einer hat plötzlich zu viel Zeit und weder Arbeit noch Beschäftigung, manch anderer ist mit noch mehr Stress und erhöhter Arbeitsbelastung im Homeoffice und ohne Schule/Kinderbetreuung konfrontiert. Auch wenn die Regeln im sozialen Umgang während des Sommers vielleicht gelockerter waren – eine Entwarnung oder eine Aussicht auf „Normalität“ gibt es noch nicht. Man kann sich ärgern über die eingeschränkte Freiheit oder über die Ignoranz von Maskenverweigerern – Gelegenheiten gibt es viele.

Wozu ausgerechnet jetzt – in diesen Zeiten – Zeit und Geld in einen Kommunikationskurs investieren?

Unsere Antwort lautet: Gerade jetzt ist es Zeit für Empathie – mit mir selbst und mit den Menschen meiner Umgebung. Gerade jetzt, wo viele unserer Lieblingsstrategien nicht mehr möglich oder eingeschränkt sind, wo das Gefühl von Ohnmacht und Unsicherheit allgegenwärtig ist oder konstant verdrängt werden muss, kann die Haltung der Gewaltfreien Kommunikation das Leben erleichtern und Auswege und neue Perspektiven geben!

Wie können wir damit umgehen, dass kein Feiern und gemeinschaftliches Fröhlichsein mehr möglich ist so wie früher? Wie gehen wir damit um, dass wir nicht mehr einfach und unbeschwert Reisen können? Was macht das mit uns, dass sich auch Zusammenkünfte mit lieben Menschen plötzlich ganz anders anfühlen? Und für sehr viele Menschen ist auch das erzwungene Alleinsein eine große Herausforderung. Was gibt mir / uns in allen diesen Fragen eine innere Orientierung? Die Basis der Gewaltfreien Kommunikation, uns anhand einer konkreten Beobachtung mit unseren Gefühlen und Bedürfnissen zu verbinden, kann uns entlasten, stärken und freier machen. Viele unerfüllte Bedürfnisse wie Sicherheit, Leichtigkeit, Freiheit, Nähe und Handlungsfähigkeit wollen empathisch gesehen werden.

Ein paar Beispiele:

Beobachtung: Vor 3 Tagen habe ich ein Treffen mit 15 Leuten besucht und möchte heute meine Eltern sehen, die einer Risikogruppe angehören.

Gedanken: Ich habe ein schlechtes Gewissen…warum habe ich wieder nicht daran gedacht, dass der Besuch ansteht…! Bin ich ignorant und gefährde dadurch andere Menschen? Könnte ich es mir verzeihen, wenn ich sie anstecken würde? Soll ich jetzt doch nicht fahren? Oder soll ich mich testen lassen?

Gefühl: Ich bin unruhig, unsicher und etwas ängstlich. Und auch frustriert.

Bedürfnis: Ich möchte stimmig sein und im Einklang mit meinen Werten leben. Ich möchte ein verantwortungsbewusster und achtsamer Mensch sein. Wenn meine Eltern gesund sind, habe ich Entspannung und Leichtigkeit. Das wünsche ich mir auch für den Besuch. Ich wünsche mir Klarheit in der Frage, ob ich gesund bin und auch darin, wie ich mich verhalten soll. Und ich brauche auch Sicherheit – ach, dann wäre es leichter für mich. Ich wünsche mir Leichtigkeit.

Bitte an mich: Ich lasse mich testen und fühl mich leichter. Außerdem halte ich Abstand in einem für mich passendem Maße. Mit der Verbindung und mit der Leichtigkeit fühle ich mich gleich wohler.


Beobachtung: Umarmungen und Paartanz gelten weiterhin als risikoreich.

Gedanken: Die Welt wird unmenschlich und kalt, wir brauchen doch Nähe…! Ich brauche ein neues Hobby, ich werde vereinsamen…!

Gefühl: Ich bin traurig, frustriert und unsicher, wie ich mich verhalten soll, um niemanden zu gefährden. Ich bin unsicher, wie lange das alles noch dauern wird… und ein bisschen einsam fühle ich mich auch.

Bedürfnisse: Ich wünsche mir Nähe und Verbindung, Tanz bedeutet für mich Lebensfreude. Ich wünsche mir Klarheit, wie es weitergehen wird, was ich im Winter machen kann, um Lebensfreude zu haben.

Bitte an mich: Ich mache ein Mindmap zu Lebensfreude und eines zu Nähe und sehe, wie viele Möglichkeiten oder Strategien es noch gibt, um mir diese Bedürfnisse zu erfüllen.


Beobachtung: Die Person direkt vor mir an der Kasse trägt keine Maske und hustet.

Gedanken: Wie ignorant, egoistisch und verantwortungslos ist das denn…, gerade, wenn man hustet!

Gefühl: Ich bin wütend und aufgebracht. Hinter meiner Wut bemerke ich Angst und Unsicherheit.

Bedürfnisse: Ich wünsche mir Sicherheit und Gesundheit, wenn ich einkaufen gehe. Auch wünsche ich mir gegenseitige Achtsamkeit und ein Miteinander; dann kann ich entspannt sein. Ich wünsche mir Entspannung.

Bitte: Ich nehme Abstand oder ich spreche die Person an.

 

Die Gewaltfreie Kommunikation kann uns unterstützen, an- und auch auszusprechen, was wir uns wünschen.

Dabei / dadurch hilft sie uns, mit uns selbst in Verbindung zu kommen und uns selbst Empathie zu geben – gerade auch in Situationen, die wir nicht ändern können. Empathie ist ein machtvolles, veränderndes Heilmittel. Ich kann mir diese Medizin selbst verordnen, d.h. ich kann mir selbst Empathie geben oder, vielleicht in Form eines GFK-Buddies, kann ich Empathie von einem anderen Menschen bekommen. Diese GFK-Medizin kann auch – und gerade – im Lockdown genommen werden; offline oder online.

In anderen Situationen kann alleine die Bewusstheit dafür, dass es unendlich viele Strategien gibt, mir mein Bedürfnis zu erfüllen, Handlungsfähigkeit und Inspiration geben. Es gibt immer viele weitere Möglichkeiten als diejenigen, an die ich vielleicht gerade aktuell denke – auch in Zeiten der Corona-Politik. Gemeinsames Brainstormen zu einem Thema beim (Online-)Übungsabend kann mir meinen eigenen Horizont erweitern und außerdem das Grundbedürfnis von Gesehen werden und Verständnis erfüllen. Wenn wir uns mit unseren Bedürfnissen verbinden und die Gefühle, die uns Hinweise auf unerfüllte Bedürfnisse geben, zulassen und würdigen, entstehen oft Entspannung, Leichtigkeit, Klarheit und dadurch auch wieder mehr Offenheit oder Handlungsfähigkeit. Es lohnt sich gerade jetzt, mit dem beginnenden Corona-Herbst, einzusteigen in die Haltung, die Instrumente und die Gemeinschaft der Gewaltfreien Kommunikation. In den Einsteigerkursen lernst du die Grundannahmen und die Vier Schritte (Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis, Bitte) kennen. In den Vertiefungskursen, den Übungsabenden und Themenwochenenden lernst du, die GFK auf immer mehr Situationen in deinem Alltag anzuwenden und gewinnst Sicherheit und Vertrauen.